Paradoxe Intervention / kreative Provokation
Paradoxe Intervention / kreative Provokation
Wie kann man böse Aggressoren dauerhaft stoppen? Muss die Alternative von Nichtkämpfen immer die Unterwerfung unter den Aggressor sein? „Kampf (Gewalt) oder Unterwerfung (Opferrolle / Massenflucht)“ – oder gibt es vielleicht noch einen dritten (kreativen) Weg?
Der „Dritte Weg Jesu“ Mt 5.38-41, ist zu verstehen als „kreative Provokation (neudeutsch: paradoxe Intervention)“ in einer scheinbar festgefahrenen Situation. Statt, Auge für Auge und Zahn für Zahn, geht es darum, (scheinbar) zu verlieren und dennoch, ohne sich zu unterwerfen, zu gewinnen sowie insbesondere seine Freiheit / Souveränität zu behalten.
„Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel“.
Die paradoxe Intervention (wie sie Jesus oft einsetzte) ist eine antagonistische Antwort auf die gängigen menschlichen Reaktionen auf Ungerechtigkeit / Aggression.
Anstatt mit Gegengewalt oder Abwehr zu reagieren, ist die Forderung, sich selbst zurückzunehmen und sogar noch mehr zu geben. Dieses übermäßige Geben hat das Potenzial, den Konflikt zu entschärfen und den Angreifer in eine neue Perspektive zu bringen.
Eine kraftvolle paradoxe Intervention entzieht so jedem Aggressor die Energie, indem sie die Aggression isoliert, auf sich selbst lenkt und damit neutralisiert. Das Böse „schlägt“ sich selbst und das Gute „grenzt“ sich gleichzeitig konsequent ab.
Die Haltung, die in der Bergpredigt zum Ausdruck kommt, kehrt das Prinzip von „Auge um Auge“ radikal um: Statt Gleiches mit Gleichem zu vergelten, nimmt man bewusst scheinbar den Verlust in Kauf – aber nur äußerlich. Innerlich bleibt man souverän, ungebrochen, frei.
Diese Form des Handelns ist keine Unterwerfung, sondern ein Akt radikaler Selbstbestimmung. Warum das ein „gewinnbringendes Verlieren“ ist:
o Es entzieht dem Gegner die Macht: Gewalt lebt von Reaktion. Keine erwartete Reaktion heißt: keine Kontrolle und demnach keine Macht.
o Es stellt das Narrativ um: Wer schlägt, sieht stark aus – es sei denn, der Geschlagene bleibt aufrecht, unbeirrt und verweigert sich dem Spiel. Dann wird der Schläger plötzlich zum Schwachen.
o Es wahrt die Würde: Statt sich zu erniedrigen (durch Rache) oder zu unterwerfen (durch Angst), entscheidet man sich für einen dritten Weg: Haltung zeigen.
o Es verweigert die Spirale der Gewalt: „Auge für Auge“ führt in endlose Vergeltung.
Die paradoxe Reaktion durchbricht diese Spirale – das ist nicht nur ethisch hochstehend, sondern strategisch oft klüger. In dieser Reaktion liegt eine tiefere Form des Widerstands – kein passives Erdulden, sondern ein aktives Durchkreuzen der Logik von Angriff und Verteidigung.
Wer so handelt, nimmt dem Aggressor die Bühne, auf der er dominieren will, und behält zugleich die eigene Freiheit.
