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Welt in Aufruhr – Die „Goldene Regel“ für eine friedliche Weltordnung

Wenn Kinder in Streit geraten oder gar handgreiflich werden, gehen Eltern, um Ordnung herzustellen, dazwischen und schlichten so, dass es in Zukunft möglichst nicht mehr vorkommt. Dabei operieren sie mit Geboten, mit Verboten oder ggf. auch mit Strafen, in der Hoffnung, dass eine Verhaltensänderung sowie ein Lernprozess zum Guten einsetzt.

„Gebt euch die Hand und VERTRAGt euch. Verhaltet euch in der Zukunft bitte wie zivilisierte Menschen“.

Aber wer schreitet eigentlich in der großen Welt ein, wenn Staaten untereinander in (kriegerischen) Streit geraten?

Nach wie vor schlagen sich überall auf der Welt Menschen aus imperialen, kulturellen, religiösen, ideologischen oder sonstigen Gründen gegenseitig die Köpfe ein, fallen Staaten über Nachbarstaaten her, flüchten Millionen vor Krieg, Unterdrückung, Armut, Umweltkatastrophen und Terror.

21-Guernica, 1937, huile sur toile, 371×782 cm, Museo Reina Sofia, Madrid

„Spätestens seit dem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan und dem russischen Überfall auf die Ukraine wissen wir, dass die bislang geltende Ordnung an ihr Ende gekommen ist. Die Welt ist in Aufruhr.“ Herfried Münkler.  Anstelle einer liberalen Weltordnung, die auf Werten und Normen fußt, ist eine Weltunordnung entstanden.

Die USA, einst „Weltpolizist“, befinden sich trotz internationalem Engagement auf dem Rückzug; die UN, der man diese Rolle ebenfalls zugedacht hatte, blockiert sich selbst. Und die Europäer sind schlicht nicht imstande, eine Weltordnung zu hüten.

Die Verhaltensregeln eines zivilisierten Zusammenlebens werden zunehmend außer Kraft gesetzt, es herrscht offenbar ein anarchischer Raum, in der es Mächtigen möglich ist, ihre Interessen ggf. auch rücksichtslos und zulasten Schwächerer durchzusetzen?

Es stellt sich die Frage, welche individuellen Rechte Menschen bzw. Staatsbürger/innen noch besitzen und wie diese geschützt werden? Sind die zwischenstaatlichen Beziehungen so geregelt, dass die internationale Zusammenarbeit sich auf verbindliche Regeln berufen kann, welche die internationalen Beziehungen berechenbar machen. Garantieren diese rechtlichen Grundlagen den Frieden, die Stabilität und den Schutz der Menschen in der Welt? Gibt es eine Schutzmacht auf der Welt, die die Wahrnehmung dieser Schutzrechte tatsächlich durchsetzen kann oder wie funktioniert die Verständigung zwischen Staaten im Krisenfall?

Fragen über Fragen, die die Freiheit & Souveränität von Menschen, die Freiheit & Souveränität von Staaten und die Freiheit & Souveränität der Weltgesellschaft betreffen.

Zusammengefasst heißt das, welche Bedingungen sollten an eine zivilisierte Weltordnung geknüpft sein, damit Menschen (Weltbürger/innen) und Staaten, d. h.  Regionalgesellschaften der Weltgesellschaft in friedlicher Koexistenz ihr Leben in Freiheit und Eigenbestimmtheit gestalten können?

Um sich der Beantwortung dieser Fragen zu nähern, sind aus meiner Sicht elementare Betrachtungen über das friedliche Zusammenleben bzw. über die notwendigen Bedingungen eines friedlichen Zusammenlebens von Menschen in der Welt aus theologischer, aus philosophischer, aus soziologischer, aus geschichtlicher und politischer Sicht zu erörtern.

18-Matisse-Henri-Luxe-calme-et-volupté-1904-05-hst-985-x-1185-cm-Paris-Orsay

Theologie

Gott ist frei.

Gott gehört weder den Juden, den Muslimen noch den Christen. Er gehört auch nicht den Chinesen, den Indern, den Russen, den Amerikanern, den Iranern, den Italienern, den Türken …

Er ist Vater/Gott aller Menschen.

Auch können wir nicht wissen, was Gott denkt. Wir können nicht in seinen Kopf schauen. Er kann die Dinge so oder auch anders denken und bewerten.

Weil Gott uns aber als sein Abbild geschaffen hat, sind wir ihm nahe und können und sollen sogar „herauszufinden versuchen“, was sein Wille ist.

Mit dem „Vaterunser“, der „Goldenen Regel“ und den „10 Geboten“ gibt er uns ein einfach zu verstehendes Handlungsgebot des richtigen und guten Zusammenlebens und Vertragens auf der Welt an die Hand.

Im „Vaterunser“ heißt es: dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.

Wir sollen so zu ihm beten (in den Dialog mit ihm treten), weil er es uns als VATER zu-traut, ihm zu folgen und damit auch selbst zu ahnen und zu erkennen, was richtig und was falsch ist. Das heißt, er vertraut uns, eine Vorstellung davon zu haben, wie wir uns in seinem Sinne verhalten sollten.

Es geht ihm offenbar darum, dass wir unsere Lebensrealität („unser tägliches Brot“) mit unseren verschiedenen Gaben und entsprechender Leistung bewältigen, unser Fehlverhalten (unsere Schuld) einsehen, auch anderen (Schuldigern) vergeben und wir durch Selbstreflexion und wache Beobachtung dem verführerischen Schlechten (Erlösung vom Bösen) entgehen können.

Wir können uns für immer auf ihn verlassen (Reich / Kraft / Herrlichkeit in Ewigkeit).

Auch weiß er, wo die Konflikt- und Risikopunkte im menschlichen Zusammenleben liegen. Er weiß, dass jedes Individuum in der Kommunikation mit anderen eine eigene Perspektive haben kann, die mit der jeweils anderen Perspektive übereinstimmen aber auch nicht übereinstimmen kann.

Mit dem Verhaltensgrundsatz der goldenen Regel, „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch“ (behandele andere so, wie du selbst von Ihnen behandelt werden willst), die auf der Reziprozität menschlichen Handelns und Kommunizierens beruht sowie den 10 Geboten, gibt er uns ein grundlegendes und für jeden Weltbürger einfach zu verstehendes Regelwerk für ein von uns und von anderen erwartbares Verhalten an die Hand.

Wir sollen andere Menschen würdigen wie uns selbst, wir sollen andere Menschen ehren, wir sollen andere Menschen nicht belügen, sie nicht bestehlen, sie nicht töten, sie nicht betrügen und wir sollen nicht neidvoll nach dem Hab und Gut der anderen gieren.  

Aus diesem Grundrahmen („Grundgesetz des Menschenverstandes“ Thomas Mann 1943) des richtigen und guten Verhaltens heraus, soll keine Zwietracht und kein Unfrieden unter den Menschen entstehen.

Es geht Gott offensichtlich darum, sowohl in einer materiellen Welt (Erde), als auch in einer geistigen Welt (Himmel), die „richtigen Dinge“, „gut“ zu tun (Einheit von Geist und Materie / Diesseits und Jenseits).

„Friede sei mit euch“.

Weil er unser Vater ist, können wir ihm glauben und ihm Vertrauen schenken (Glaube). Wir können auf der Welt so wirtschaften, dass wir alle davon leben können, die Natur bietet uns dafür alle lebensnotwendigen Grundlagen.

Da Menschen mit anderen Menschen in einer Gemeinschaft und Gesellschaft zusammenleben (Soziales Miteinander) und das Zusammenleben aus einem wechselseitigen Nehmen und Geben & Geben und Nehmen, Verhalten und auch Fehlverhalten besteht (Recht), ist die Bedingung für ein friedliches Miteinander die Orientierung an der goldenen Regel des gegenseitigen Respekts und der gegenseitigen Würdigung (Politik).

Da Menschen fehlbar sind, sollen sie sich selbst und auch anderen vergeben bzw. auch die Möglichkeit einräumen, aus ihren Fehlern zu lernen.

Der „heilige Geist“ sitzt im Herzen eines jeden Menschen auf der Welt. Jede/r Weltbürger/in weiß im tiefsten Inneren, was moralisch richtig oder falsch ist. Alle Menschen wissen bzw. ahnen, wenn sie tief in sich hineinhören, sehr genau, was es zu unterlassen gilt an unguten, unwahren und unschönen Handlungen. „Das Böse weiß vom Guten, aber das Gute vom Bösen nicht. Selbsterkenntnis hat nur das Böse.“ — Franz Kafka

Es gibt so etwas wie „moralische Tatsachen“ im Hinblick darauf, was für alle Menschen wegweisend richtig und gut ist und was zu den grundlegenden Rechten eines jeden Menschen (Menschenrechte) gehört, unabhängig von der jeweilig vorherrschenden Kultur, Religion und/oder Ideologie und der davon geprägten Menschen?

Diese moralischen Tatsachen gehören zu den rechts- und sozialstaatlichen Grundsäulen und zur geistigen Haltung des Zusammenlebens zivilisierter Menschen in der Weltgesellschaft.

Frieden, verbunden mit Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bauen auf diesen Grundsäulen auf.

Individualität, Wettbewerb, Rationalität, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit sind daraus abgeleitete „soziale Tatsachen“ einer zivilisierten Weltgesellschaft.

Eine souveräne Weltgesellschaft mit souverän lebenden Menschen macht sich unabhängig von „unfriedlichen“ ideologischen oder kulturellen Identitätsbehauptungen und handlungsweisenden Ableitungen.

19-Matisse Henri, Le Boheuer de vivre, huile sur toile, 1…

Philosophie

Selbsterklärende Zitate vorab.

„Eins sollte klar sein: unser Wissen ist begrenzt und unsere Unwissenheit ist grenzenlos“. „Wissen ist also immer hypothetisch: Es ist Vermutungswissen, Und die Methode der wissenschaftlichen Erkenntnis ist die kritische Methode: die Methode der Fehlersuche und der Fehlerelimination im Dienste der Wahrheitssuche“. Karl Popper – Auf der Suche nach einer besseren Welt.

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“  „(Sapere aude!) –  Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ (Immanuel Kant) ist der Wahlspruch der Aufklärung.

Selbstbefreiung durch Wissen. „Wage es frei zu sein, und achte die Freiheit und die Verschiedenheit in anderen, denn die Menschenwürde liegt in der Freiheit, in der Autonomie. … Nur durch das Wissen können wir uns geistig befreien von der Versklavung durch falsche Ideen, Vorurteile und Idole.“ Immanuel Kant.

Sokrates: „Es ist besser, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun.“

Karl Popper: „Wir wollen lieber leiden – unter Verbrechen, unter Korruption, Mord, Spionage, Terrorismus – als den sehr fraglichen Versuch zu machen, diese Dinge durch Gewalt auszurotten und dabei Gefahr zu laufen, auch Unschuldige zu Opfern zu machen.“

Sacharow: „Und wir ziehen diese Ordnung insbesondere einer anderen Ordnung vor, in der auch Nichtverbrecher keinen Rechtsschutz finden und auch dann bestraft werden, wenn ihre Unschuld nicht bestritten wird.“

„Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“. André Malraux.

„Der Vorzug der neuen Richtung ist, dass wir nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen.“ Karl Marx

„In offenen Gesellschaften ist im Gegensatz zu geschlossenen Gesellschaften, die einen für alle verbindlichen (ideologischen oder religiösen) Heilsplan verfolgen, ein Meinungsaustausch gestattet, der auch kulturelle Veränderungen ermöglicht. Daher sind Meinungs-, Vereinigungs-, und Versammlungsfreiheit sowie eine strikte religiöse Neutralität von grundlegender Bedeutung für „offene Gesellschaften“. Denn Hass, Zorn und Racheakte führen ins Verderben. „In der Demokratie ist es möglich, die Herrschenden ohne Blutvergießen auszutauschen.“ Nach Karl Popper

„Es sind wenig entfaltete Menschen, die (kriminelle) autoritäre Führer lieben. Freie Menschen bevorzugen ein schützendes Rechtssystem.“ Unbekannter Autor.

Niall Ferguson (Historiker): „Wenn es keine sehr aktive Anstrengung gibt, die fundamentalen Prinzipien einer freien Gesellschaft hochzuhalten, dann wird sich die menschliche Tendenz, sich Autoritären zu unterwerfen, ausbreiten. Die Grundsätze der Aufklärung hochzuhalten ist Arbeit, und wir, die wir daran glauben, hätten uns mehr anstrengen müssen.“

„Europäer könnten die Welt lehren, dass nur der Aufbau einer Weltzivilisation die Gewähr dafür bietet, die ewigen, kulturell-religiös begründeten Vormachtkämpfe einzuhegen in der Erkenntnis, dass jede Gruppe nur kulturell-religiöse Identität beanspruchen kann, soweit sie anderen das Gleiche zugesteht. Europa eine Bestimmung zu geben, heißt also, es zur Avantgarde einer Weltzivilisation werden zu lassen. Das sollte umso eher möglich sein, als die Prinzipien kulturell-religiös unabhängiger Praktiken wie die der Künstler, Wissenschaftler, Techniker, Diplomaten in Europa kodifiziert wurden und weitgehend bereits weltweit gelten; zum Beispiel als Verkehrsregeln, denen zufolge für die Teilnahme am Verkehr weder kulturelle, noch religiöse, rassischethnische Identitätsmerkmale eine Rolle spielen dürfen. In Zukunft werden Menschen sich nicht mehr primär wegen kulturell-religiöser, sprachlicher, ethnischer Gleichheiten zusammenfinden, sondern weil sie gleichermaßen ökonomischen, ökologischen und anderen unlösbaren Problemen konfrontiert sein werden, die keinerlei Grenzen und Abschottungen von Nationen wie Religions- und Kulturgemeinschaften akzeptieren und deswegen nur von Gemeinschaften gemeistert werden können, die prinzipielle Vergeblichkeit aller kultureller Suprematiebestrebungen leidvoll erfahren haben.“ Bazon Brock Verkehrsregeln des Friedens.

„Der Versuch der russischen Führung, die Ukraine mit Kriegsgewalt zu erobern und sie unter ihre Kontrolle zu bringen, war die letzte Option, die die Kremelführung von den ihr verfügbaren Machtsorten her hatte, um die seit den Maidan Revolutionen immer stärkere Entfernung der Ukraine von Russland rückgängig zu machen. Die kulturelle oder zivilisatorische Attraktivität Russlands hatte sich zuvor als nicht groß genug erwiesen, um die Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukraine an Russland zu binden, und auch die wirtschaftliche Macht Russlands, die im Wesentlichen aus verbilligten Energielieferungen an die Staaten des Einflussgebiets besteht, reichte dafür nicht aus. Die Aussicht auf eine Annäherung an die EU und ihr Wertesystem ist den Menschen in der Ukraine sehr viel lieber als die Unterordnung unter die Direktiven des Kremel und die Übernahme von Strukturen, wie sie in Russland seit dem Amtsantritt Putins entstanden sind.“ Herfried Münkler.
Zeitenwende

Henryk Cichowski

https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Biden-vergleicht-Putin-mit-der-Hamas-article24477709.html

Immanuel Kant (1724-1804)

Zum ewigen Frieden, Immanuel Kant.

Für den Philosophen Immanuel Kant ist Friede (Eintracht) unter den Menschen ein in der Natur angelegter Endzweck (Idealismus), auch wenn die innere Veranlagung der Menschen einen Hang zum Bösen und zur Zwietracht (Krieg) beinhalten (Realismus).

Der Naturzustand zwischen den Menschen ist rechtlich betrachtet aus seiner Sicht ein Kriegszustand. Es bedarf einer Rechtsordnung, die Menschen und Staaten in klare Verhältnisse bringt, in der die jeweiligen Rechte geschützt und wechselseitige Verletzungen und Ansprüche auf der Basis dieser entschieden werden können

So sind zur Verhinderung von wechselseitiger Bedrohung, von Krieg und Vertreibung im Laufe der Menschheitsgeschichte Gesetze (Ordnung) entstanden, die den Frieden sicher sollen.

Das natürliche Bedürfnis, sich vor den Interessen der anderen zu schützen, führt nach Kant dazu, dass jeder von den anderen die Einhaltung allgemeiner Regeln wünscht, ohne dass immer auch die feste Absicht gegeben wäre, sich selbst diesen Regeln zu unterwerfen.

„Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben) auflösbar und lautet so: „Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber insgeheim sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, dass, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, dass in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten.“ – Immanuel Kant.

Bei innergesellschaftlichem Frieden wird die Einhaltung von Regeln überwacht und Übertretungen geahndet. Die Idee des Rechts entwickelt sich – als Instrument der Absicherung.

Der freie Föderalismus verschiedener Staaten bringt auf lange Sicht durch Stolz auf die Eigenheit und den Wetteifer innerhalb der einzelnen Gruppen zivilisatorischen Fortschritt mit.

Die Entwicklung der eigenen staatlichen Leistungsfähigkeit und freiheitsorientierten Ordnung ist es, die die Staaten wechselseitig zu Toleranz und Akzeptanz in der föderativen Ordnung befähigt.

Dadurch, dass der Staat Geld als allgemeinstes Machtmittel sieht und Handel insgesamt wohlstandsförderlich ist, haben Staaten auch eine außermoralische Motivation, den Handel und das dazu erforderliche Weltbürgerrecht zu schützen und Kriege zu vermeiden bzw. vermittelnd zu beenden.

Wenn Moral als Theorie der Rechte und Pflichten eines jeden verstanden wird, sind Politik und Staatslehre als Anwendung und Umsetzung der Moral zu verstehen. Es gibt moralische Tatsachen, an denen sich die Politik zu orientieren hat.

Zum ewigen Frieden (als normativem Ziel der Politik) ist es erforderlich, dass sich alle gemeinsam der Rechtsordnung unterstellen. Die Vereinigung zu einem Staat unter einer Rechtsordnung ist darauf angewiesen, dass es eine diese schützende Gewalt gibt (Herrschaft). Die Herrschenden sind ebenfalls den Gesetzten unterworfen.  Man unterscheidet drei Rechtssysteme.

Das Staatbürgerrecht regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Bürgern eines Staates und diesem Staat.  Das Völkerrecht regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Staaten.  Das Weltbürgerrecht sichert jedem Menschen die grundlegenden Menschenrechte überall in der Welt zu.

Staatbürgerrecht
Die Verfassung in jedem Staate sollte republikanisch (liberale Demokratie / im Gegensatz zur Despotie in der Gesetzgebung und Regierung in einer Hand – Gefahr des Machtmissbrauchs) sein.

Freiheit der Glieder einer Gesellschaft. Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung. Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Niemand steht über dem Gesetz, auch nicht die Obrigkeit. Ein Staat mit republikanischer Verfassung ist ein friedlicher Staat, da alle Staatsbürger die Folgen (als Regierende und Gesetzgeber) gemeinschaftlich tragen.

Völkerrecht
Zwischenstaatlich befinden sich Staaten im Naturzustand im Krieg.

Frieden ist nur über einen Rechtszustand, also über einen Völkerbund der Staaten möglich. In einem Völkerbund bleiben die Einzelstaaten bestehen und ihre Souveränität im Inneren wird nicht und im Äußeren kaum eingeschränkt.

Der Völkerbund soll in erster Linie ein Friedensbund sein, in dem sich die verbündeten (republikanisch verfassten) Staaten wechselseitig zu Erhalt und Sicherheit ihrer jeweiligen Freiheit verpflichten, aber ohne sich damit allgemeinen Gesetzen zu unterwerfen.

Der Völkerbund ist damit kein übergeordneter Völkerstaat (Weltstaat) mit einer gemeinsamen Rechtsordnung und mit Zwangsmöglichkeiten zur Sicherung des Friedens.

Weltbürgerrecht.
Weltbürgerrecht als öffentliches Menschenrecht.

Gastfreundschaft – jeder Mensch soll überall einreisen können, ohne dass seiner Freiheit zusätzliche Beschränkungen unterliegen. Einreisende müssen aber das Eigentum und die volle Souveränität der Gastgebenden über ihren Lebensort anerkennen (Selbstbestimmungsrecht).

Es soll zu einem freien Austausch und zur freien Begegnung (Gemeinschaft) zwischen Besuchern/innen und Bürger/innen des Gastgeberlandes kommen.

Das Weltbürgerrecht ergänzt das Recht der Einzelstaaten (Staatbürgerrecht) und das Völkerrecht in Form eines öffentlichen Menschenrechtes.

Bekannt geworden sind die Ideen des Völkerrechts, das die Verbindlichkeit der zwischenstaatlichen Abkommen fordert, und die Ausrichtung des Friedens als völkerrechtlichen Vertrag.

In den internationalen Beziehungen wird „Zum ewigen Frieden“ den liberalen Theorien zugeordnet. Die Charta der Vereinten Nationen wurde wesentlich von dieser Schrift beeinflusst.

Für Kant ist Frieden kein natürlicher Zustand zwischen Menschen, er muss deshalb gestiftet und abgesichert werden. Die Gewährung des Friedens erklärt Kant zur Sache der Politik, die andere Interessen dabei der kosmopolitischen Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe; denn so heißt es im Anhang: „Das Recht der Menschen muss heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten.“ Immanuel Kant.

Ein dauerhafter internationaler Rechtsfrieden ist von ihm nicht als Zustand konzipiert, sondern als einen historischen Prozess, der immer wieder Rückschläge erfahren würde, ohne damit aber zum Erliegen zu kommen. Besondere Bedeutung maß Kant dabei internationalen Institutionen und der Öffentlichkeit zu. Beides waren für ihn kritische Instanzen, die die Anwendung von Gewalt in internationalen Konflikten skandalisieren und damit erschweren sollten.

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Soziologie der „modernen“ Weltgesellschaft
Reduktion der Komplexität durch funktionale Systembildung und Kommunikation

Der Soziologe Niklas Luhmann hat schon vor Jahrzehnten, also lange bevor Globalisierung ein Allerweltswort wurde, unterstellt, dass es nur noch einen möglichen Gesellschaftsbegriff gebe, nämlich den der Weltgesellschaft.

Es gibt keine territorialen Grenzen mehr für Geld, Information, Bildung, Energie, Umweltzerstörung, Terror

Und wir erfahren täglich aus den Nachrichten, dass nationale Politik nicht umgehen kann mit ökologischen Problemen, dem Problem der Durchsetzung von Menschenrechten, den Forderungen nach «humanitären» Interventionen, modernen Völkerwanderungen und weltweiten Finanzspekulationen. Warum, weil es territorial übergreifende Problemstellungen sind, die nur im Kontext einer Weltgesellschaft lösbar sind.

Die Welt, oder genauer die Komplexität der Welt wird bei Luhmann zum obersten Bezugsproblem der funktionalen Analyse. Mit Komplexität ist der Grundbegriff der funktional-strukturellen Systemtheorie benannt. Komplexität meint zunächst die Gesamtheit der möglichen Ereignisse und Zustände: Etwas ist komplex, wenn es mindestens zwei Zustände annehmen kann.

Diese äußerste Komplexität der Welt ist für das menschliche Bewusstsein nicht fassbar und erfahrbar. Das menschliche Vermögen der Komplexitätsaufnahme ist angesichts der möglichen Zustände und Ereignisse der Welt ständig überfordert. Zwischen der äußersten Weltkomplexität und dem menschlichen Bewusstsein (was kann ich wahrnehmen, was kann ich denken, was kann ich tun…?) klafft eine große Lücke.

Exakt an dieser Stelle treten soziale Systeme in Funktion. Sie übernehmen die Aufgabe der Reduktion von Komplexität. Soziale Systeme vermitteln also zwischen der unbestimmten Komplexität der Welt und der Komplexitätsverarbeitungskapazität des einzelnen Menschen.

Reduktion der Komplexität meint Abbau oder Verringerung der möglichen Zustände oder Ereignisse. Soziale System reduzieren die Weltkomplexität, indem sie Möglichkeiten ausschließen. Dadurch, dass soziale Systeme Komplexität reduzieren, geben sie den beteiligten Personen Orientierungshilfen an die Hand. Soziale Systeme bilden „Inseln geringerer Komplexität“ in einer überkomplexen Welt.

Damit soziale Systeme die Komplexität der Welt reduzieren können, müssen sie selbst eine bestimmte Komplexität aufweisen, sie müssen also eine Eigenkomplexität ausbilden, um den Fortbestand auch unter sich ändernden Umweltbedingungen aufrechtzuerhalten. Je komplexer ein System ist, desto mehr Möglichkeiten besitzt es, auf wechselnde Umweltanforderungen angemessen zu reagieren.

Die Eigenkomplexität des Systems ermöglicht – und begrenzt – somit dessen Fähigkeit, die Komplexität der Welt zu erfassen und zu reduzieren.

Der funktional-strukturellen Theorie geht es um die Erweiterung des menschlichen Vermögens, die Komplexität der Welt zu erfassen und zu reduzieren. Die Reduktion der Weltkomplexität ist ein allgemeines Funktionsprinzip sozialer Systeme.

Soziale Systeme sind nach Luhmann Kommunikationssysteme, sie reproduzieren sich dadurch, dass sie fortlaufend Kommunikation an Kommunikation anschließen.

Da Menschen (psychische Systeme) nicht die Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen der anderen Menschen lesen oder sehen können, sind sie in der Kommunikation auf das Gesagte, auf das Festgehaltene oder auf die sonstig dargelegten Informationen bzw. sozialen Tatsachen angewiesen.

Der Fixpunkt dieser Operation ist also die soziale Tatsache bzw. das soziale Geschehen (Kommunikation), das Gesagte, Dargelegte, Festgehaltene … und nicht das jeweils von Menschen Gedachte, Vorgestellte, Gefühlte oder Wahrgenommene (Bewusstsein und Gehirn).

Der Mensch kann nicht kommunizieren; nur die Kommunikation kann kommunizieren.“ Niklas Luhmann.

Nach Luhmann ist der Mensch aber eine notwendige Umweltbedingung des sozialen Geschehens bzw.  der Kommunikation. Jede Kommunikation erzeugt von Moment zu Moment eine eigene Nachfolgekommunikation. Jede Kommunikation würde sofort zum Erliegen kommen, wenn nicht mindestens zwei Bewusstseinssysteme (Menschen) daran beteiligt wären. Kommunikation kann weder auf ein individuelles Bewusstsein noch auf ein Kollektivbewusstsein zurückgeführt werden.

Kommunikation denkt nicht, sie kommuniziert. Aber, keine Kommunikation ohne Bewusstsein. Nach dieser Auffassung sind soziale und psychische Systeme strukturell miteinander gekoppelt.

Allein Bewusstsein, so Luhmann kann Kommunikation in seinen kommunikationseigenen Operationen irritieren, reizen oder stören.

Es gilt: Die Kommunikation kommuniziert und denkt nicht. Und: Das Bewusstsein denkt aber kommuniziert nicht.

Soziales kann also nur durch Soziales, und nicht durch Psychisches erklärt werden.

Kommunikation ist demnach kein Gedankenaustausch, sondern ein gemeinsames Operieren, auf der Basis von sozialen Tatsachen (Kommunikation).

Wenn Kommunikation keine Übertragung einer Botschaft von Sender an Empfänger ist, was ist Kommunikation dann?

Luhmann beschreibt Kommunikation als einen dreistelligen Selektionsprozess, der Information, Mitteilung und Verstehen miteinander kombiniert. Selektion bedeutet Auswahl aus mehreren Möglichkeiten.

Kurz: eine Kommunikation liegt vor, wenn eine Informationsauswahl, eine Auswahl von mehreren Mitteilungsmöglichkeiten (schriftlich, mündlich…) und eine Auswahl von mehreren Verstehensmöglichkeiten getroffen werden (Synthese aller drei Selektionsmöglichkeiten).

„Sieht man den Menschen als Teil der Umwelt der Gesellschaft an (statt als Teil der Gesellschaft selbst), ändert das die Prämissen aller Fragestellungen der Tradition, also auch die Prämissen des klassischen Humanismus. Das heißt nicht, dass der Mensch als weniger wichtig eingeschätzt würde im Vergleich zur Tradition. Wer das vermutet (und aller Polemik gegen diesen Vorschlag liegt eine solche Unterstellung offen oder versteckt zu Grunde), hat den Paradigmenwechsel in der Systemtheorie nicht begriffen. Die Systemtheorie geht von der Einheit der Differenz von System und Umwelt aus. Die Umwelt ist konstitutives Moment dieser Differenz, ist also für das System nicht weniger wichtig als das System selbst.“ (Niklas Luhmann, Soziale Systeme, S. 288f.).

Die Gesellschaftstheorie von Luhmann geht von zwei Grundbegriffen aus: von Komplexität (siehe oben) und von Systemdifferenzierung.

Komplexität bezeichnet demnach den Umstand, dass ein System mehr als eine Möglichkeit des Anschlusses hat. Eine komplexe Situation in einem sozialen System besteht darin, dass mehr als eine Anschlussmöglichkeit denkbar ist und dass das System selektiv eine solche Möglichkeit auswählen muss.  Es gibt immer die Möglichkeit, aus mehreren Handlungsmöglichkeiten eine zu wählen.

Systemdifferenzierung, bezeichnet die Fähigkeit von sozialen Systemen, Subsysteme zu bilden. Sub- oder Teilsystembildung bezeichnet nichts weiter als Wiederholung der Systembildung in Systemen.

Luhmann unterscheidet drei Stufen gesellschaftlicher Entwicklung (Evolution) und damit verbundenem gesellschaftlichem Differenzierungsgrad.

Die archaische (segmentär differenzierte) Gesellschaft (aufgeteilt in Familien, Stämme, Dörfer etc.), zeichnete sich durch ihren lokalen Kontext und durch einen überschaubaren, geschlossenen und transparenten Handlungsraum aus (einfache gesellschaftliche Organisation mit relativ geringer Komplexität). Es waren einfache, kleine, räumlich voneinander getrennte und gleiche Gesellschaften mit face-to-face Kommunikation.

Die zweite Stufe der gesellschaftlichen Differenzierungsform waren stratifizierte Gesellschaften. Das entscheidende Einteilungsprinzip stratifizierter Gesellschaften ist die Differenzierung in ungleiche Schichten. Die Gesellschaft besteht nun nicht mehr in aus ähnlichen oder gleichen Systemen, sondern aus verschiedenartigen Teilsystemen, die in hierarchischer Beziehung zueinanderstehen. Indem sich diese Gesellschaftsform in der Sozialdimension differenziert, also Personen zu unterschiedlichen Ständen zuordnet, steht weniger die Sach- als die Sozialdimension im Vordergrund gesellschaftlicher Interaktion.

Nicht was gesagt wird, sondern wer es sagt, oben oder unten, ist entscheidend.

Zusammengehalten wurden die Teilsysteme der Gesellschaft, also die Schichten, durch eine primär religiös fundierte Seinsauslegung der Welt in Hierarchien, die jeden Menschen, dank göttlichem Ratschluss an seinen Platz gesetzt hat.  Diese eindeutige vertikale Differenzierung der Gesellschaft zeichnete sich im Vergleich zur segmentär differenzierten Sozialform durch einen ungeheuren Komplexitätszuwachs aus.

Die Komplexität ist die Haupteigenschaft moderner Gesellschaften und die Reduktion von Komplexität die Hauptaufgabe moderner Gesellschaften.

Es besteht ein Zwang zur Selektion, zur Auswahl von Möglichkeiten. „Die Komplexität der Welt muss nicht nur vorstellend erfasst, sondern auch dem Erleben und dem Handeln nahegebracht, also reduziert werden.“ Luhmann 1970.

Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft bezeichnet die primäre Differenzierungsform der modernen Gesellschaft. Spätestens mit der Mitte des 19 Jahrhunderts, vollends aber zur Jahrhundertwende setzt sich die bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts sich abzeichnende primäre Differenzierung der Gesellschaft als Differenzierung in nicht füreinander substituierbare Funktionen durch.

Gesellschaftsstrukturell gesehen differenziert sich die Gesellschaft in Teilsysteme.

Die einzelnen funktionalen Teilsysteme – Wirtschaft, Politik, Recht, Religion, Bildung/Erziehung, Wissenschaft, Kunst, Gesundheit, Sport, Tourismus, Massenmedien etc. – operieren stets aus ihrer jeweiligen funktionsspezifischen Perspektive.

Diese Teilsysteme operieren nicht einfach mit ihnen zugeordneten, funktionsspezifischen Semantiken, sondern mit Hilfe von beobachtungsleitenden Grundentscheidungen, „Man sieht jetzt deutlich, dass die Funktionssystem sich nicht nur über eigene Kriterien des Richtigen, also nicht über Gesamtformeln ihrer Programme (Friede bzw. Gemeinwohl, Wohlstand, Bildung, Gerechtigkeit etc.) ausdifferenzieren, sondern dass dies primär über binäre Codes geschieht.“ Luhmann.

So ist für Politik entscheidend, ob man Amt und Entscheidungsmacht innehat oder nicht (Regierung/Opposition) / Macht, für Wirtschaft, ob man zahlt oder nicht / Geld, für Wissenschaft, ob eine Aussage wahr ist oder nicht / Wahrheit usw.

Die funktional-strukturelle Systemtheorie behauptet, dass Funktionssysteme nur innerhalb ihrer selbst operieren können. So können etwa die Funktionssysteme Politik und Recht in die Wirtschaft nicht per wirtschaftlichen Operationen einwirken. Sie können lediglich die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verändern. Mehr nicht. Den Rest muss die Wirtschaft selbst tun.

Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte kann als Entwicklung eines erdumspannenden sozialen Netzwerks bzw. eines umfassenden sozialen Systems (Weltgesellschaft) gesehen werden, verstanden als die Gesamtheit der füreinander erreichbaren Kommunikationen über nationale und regionale Beschränkungen hinaus.

Nationen sind im Kontext der Weltgesellschaft nichts anderes als Regionalgesellschaften, die nach außen partikularistisch und nur nach innen universalistisch konzipiert sind.

Entscheidend für den Weltgesellschaftsansatz nach Luhmann ist, dass sich Nationalstaaten ausschließlich im (welt)gesellschaftlichen Funktionssystem der Politik ausdifferenzieren.

Die Ausdifferenzierung der Nationalstaaten bildet somit eine sekundäre Gesellschaftsdifferenzierung gegenüber der primären Gesellschaftsdifferenzierung in unterschiedliche Funktionssysteme.

Eine Einteilung der Welt in Nationalstaaten ist für Luhmann reduktionistisch, da Kommunikationen nicht vor Landesgrenzen halt machen.

Dennoch sind Nationalstaaten in der Weltgesellschaft laut Luhmann wichtig, um für die Weltgesellschaft Ansprechpartner der territorialen Einheiten zu bieten. Unter weltpolitischen Bedingungen sieht Luhmann die Funktion von Nationalstaaten in ihrer organisierten Fähigkeit, intern und extern effektiv und durchsetzungsfähig zu sein und das Segment kommunikativ zu vertreten.

Dabei ist es für das weltpolitische System zweitrangig, ob ein Nationalstaat demokratisch ist oder nicht, primär steht die kommunikative Vertretung eines Territoriums im Mittelpunkt.

Staaten kommunizieren also im Kontext der Weltgesellschaft, ohne dass eine Weltregierung existiert.  Sie sind u. a. dafür da, territorialen Frieden zu sichern bzw. Risiken abzuschätzen und entsprechend zu interagieren.

Politik und Geschichte

Wie kann es eine stabile internationale Ordnung (Weltordnung) geben, wenn nur souveräne Einzelstaaten / Regionalgesellschaften existieren und es (insbesondere im Krisenfall) keine höhere Autorität bzw. kein Gewaltmonopol im internationalen System der Weltgesellschaft gibt?

Herrscht demnach in der Weltgesellschaft Anarchie und / oder treten mächtige Regionalgesellschaften der ersten Reihe mit ihren Machtmitteln und unterschiedlichem Außenverhalten in diese Weltordnungslücke, um ihre politischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen?

„Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwindet zugleich die Fähigkeit, diesen Bedarf zu bedienen.  Grundsätzlich gib es vier Modelle der Weltordnung, wie mit der wieder zunehmenden Anarchie der Staatenwelt (auch innerhalb einstmals scheinbar festgefügter Staaten) angesichts des nicht vorhandenen Weltstaats, der mit einem globalen Gewaltmonopol ausgestattet ist, umgegangen werden kann.

Dem realistischen Denken entspricht das Selbsthilfeprinzip. Jeder Staat versucht so gut er kann, seine Interessen nach außen aus eigener Kraft wahrzunehmen. Dazu benötigt er Macht und wirtschaftliche Ressourcen. Für große Staaten ist dies eher möglich als für kleine, zumal sie die Option des Isolationismus besitzen.

Dem idealistischen Denken entspricht die Kooperation der Staaten durch Verträge, Internationale Organisationen, das Völkerrecht und normengeleitetes Handeln, das auf gemeinsamen Werten beruht. Das Recht soll die Macht ersetzen.

Staaten sind aber nicht nur in einem völkerrechtlichen Sinne gleich und gleichberechtigt, sondern in nahezu jeder Hinsicht ungleich, gleichviel ob man die Bevölkerungszahl, die Fläche und Rohstoffausstattung, den Wohlstand, die Sozialsysteme, die wissenschaftlich-technische Leistungsfähigkeit, die internationale Wettbewerbsfähigkeit oder das Machtpotential zum Vergleich heranzieht.

Wenn man demzufolge nicht die Anarchie, sondern die Hierarchie der Staatenwelt als wesentliches Kennzeichen des internationalen Systems ansieht, bieten sich weitere Modelle an, bei denen die großen Mächte anstelle des nicht vorhandenen Weltstaats für internationale Ordnung sorgen. Gemeint sind das hegemoniale und das imperiale Modell.

Hegemonie meint Führung, Imperium meint Herrschaft. Der (benevolente) Hegemon stützt sich auf seine überragende Leistungsfähigkeit und die Akzeptanz der Gefolgschaft, weil er für Weltordnung durch die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter sorgt, in deren Genuss die Gefolgschaft nahezu kostenlos gelangt. Die USA haben die Rolle des Hegemons nach 1945 über die westliche und seit 1990 über die gesamte Welt eingenommen.

Das Imperium nimmt seine Ordnungsfunktion durch Herrschaft wahr, liefert nur sog. Clubgüter für den Club derjenigen Länder, die zu seinem Herrschaftsbereich gehören, und akquiriert dafür deren Ressourcen. Die Sowjetunion gehörte zwischen 1945 und 1990 zu diesem Typ.

Das hegemoniale Modell beruht auf Freiwilligkeit und Attraktivität des Hegemons, der softpower wie z.B. den american way of life verströmt, das imperiale Modell auf Zwang, den das Imperium auf die Beherrschten ausübt.“ Ulrich Menzel, Die Ordnung der Welt im Angesicht der neuen Unregierbarkeit, 2016.

Vgl. hierzu auch veranschaulichend die nachfolgenden Schaubilder von Ulrich Menzel:
Vier Modelle zur Ordnung der Welt“ sowie „Außenverhalten großer Mächte“.

Nach Meinung des Braunschweiger Politikwissenschaftlers und Historikers Ulrich Menzel sind nicht Völkerrecht und Weltregierung, historisch gesehen, die Schlüssel zur Einhegung der absoluten Anarchie der Staatenwelt, sondern die herausragende Macht einzelner Staaten / Nationen in den letzten 1000 Jahren. Es waren stets imperiale und hegemoniale Strukturen, die der Welt ihren Stempel aufdrückten:

  • Das Chinesische Kaiserreich während der Song-Zeit (960 – 1204).
  • Das Reich des Großkhans der Mongolen (1230 – 1350).
  • Die italienischen Fernhandelsstädte und Kolonialmächte Genua (1261 – 1350) und Venedig (1381 – 1503).
  • Die frühen Ming (1368 – 1435).
  • Die iberischen Entdeckernationen und Feudalmächte Portugal (1494 – 1580) und Spanien (1515/19 – 1648/59).
  • Das Osmanische Reich auf den Spuren der Mongolen (1453 – 1571).
  • Die Niederlande als erste moderne Ökonomie (1609 – 1713).
  • Das absolutistische Frankreich (1635 – 1714).
  • Großbritannien auf Merkantilismus und Freihandel gestütztes Empire (1692 – 1919).
  • Die USA als Hegemonialmacht (seit 1898)

Diese großen Mächte hätten aus Eigeninteresse das Bedürfnis, in ihrem Einflussgebiet eine gewisse Rechtssicherheit zu garantieren, etwa durch das Aufstellen von Handelsregeln oder den Schutz gegen Freibeuter und Piraten, um nur zwei Beispiele zu nennen, von denen dann auch alle anderen Mächte profitierten (vgl. hierzu Schaubilder – Bereitstellung internationaler Güter – Ulrich Menzel)

Nicht die Anarchie, sondern die Hierarchie der Staaten bildet für Menzel das Fundament der internationalen Beziehungen. Denn nur starke Imperien oder Hegemonialmächte seien in der Lage, die öffentlichen Güter zu garantieren, die für die Ordnung der Welt von Bedeutung sind. Allerdings weiß man eben, „ohne Egoismus handelt keine Weltmacht“ Ulrich Menzel.

Für den Politikwissenschaftler Carlo Masala gilt es zunächst einmal, sich von allen Vorstellungen einer globalen oder regionalen Blaupause, die zu Stabilität, Friedfertigkeit und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen führt, zu verabschieden. Er glaubt nicht, dass über große Strategien, Stabilität und Ordnung mit einem großen Wurf zu verwirklichen seien. Er plädiert für eine realistische Politik, die anerkennt, dass sie unter den Bedingungen eines anarchischen internationalen Systems stattfindet, in dem es keine den Staaten übergeordnete Zwangsgewalt gibt. Dieses Faktum bewirkt aus seiner Sicht, dass Konflikte zwischen Staaten ein beständiges Merkmal der internationalen Beziehungen sind.

„Da sich Staaten auf keine höhere Autorität im internationalen System verlassen können, die sie beschützt, müssen sie den Schutz ihrer Souveränität und territorialen Integrität selbst organisieren. Die Sicherstellung staatlichen Überlebens erfolgt primär über den Aufbau von Machtmitteln. Da Sicherheit aber nur relational betrachtet werden kann, bedeutet die Sicherheit des einen immer, dass jemand anderes sich unsicherer fühlt und sich darum bemühen wird, diesen Nachteil auszugleichen. Der Kampf um die Macht in Form von Macht– und Gegenmachtbildung ist daher charakteristisch für das internationale System. Diesen Zusammenhang zu verwischen, indem man die Welt in Gut und Böse einteilt und dieses Prinzip nur bei den Bösen am Werk glaubt, führt zu gefährlichen Fehlwahrnehmungen, die für die Stabilität des Systems kontraproduktiv sein können.“ Carlo Masala, WELTUNORDNUNG, 2022, S. 153.

Seiner Ansicht nach muss eine realistische Politik ferner anerkennen, dass es auf einer philosophischen Ebene zwar universelle Werte gibt, deren Verbreitung wir uns alle wünschen, dass allerdings bei dem Versuch diese Werte aktiv zur Durchsetzung zu verhelfen, Fehler begangen werden können, die dem Ziel der Förderung von Stabilität und Sicherheit entgegenstehen. Hier ist Klugheit und Weitsichtigkeit angeraten.

Gerechtigkeit als Kategorie der internationalen Politik läuft immer Gefahr, letztlich nur den partikularen Vorstellungen mächtiger Staaten zu dienen. Sie ist dann eine Maske der Mächtigen, die die Wahrung eigener Interessen bemäntelt. Eine Ordnung, die auf westlichen Werten basiert, ist so voraussetzungsreich, dass sie viel Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Versuche, dies zu erzwingen oder von außen zu beschleunigen, sind bestenfalls naiv. Den westlichen Werten ist weitaus mehr gedient, wenn man sich auf ihre natürliche Anziehungskraft verlässt und ihre Verbreitung befördert, indem man lediglich Kooperation und Austausch ermöglicht. Der Westen hat nicht die Mittel, dem Rest der Welt seine Ordnung aufzuzwingen, auch wenn das viele Kreuzritter des Guten nicht wahrhaben wollen. Eine realistische Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet also zunächst einmal, die gegebenen Bedingungen zu akzeptieren und nicht länger einem Traumbild der liberalen Weltordnung hinterherzujagen.“ Carlo Masala, ebenda. S. 154.

„Leben wir weiterhin in einer Weltunordnung oder bewegen wir uns hin zu einer neuen Ordnung in der internationalen Politik, die durch eine Bipolarität zwischen den USA und China gekennzeichnet sein wird? … Auf der andren Seit bleibt es weiterhin Faktum, dass die USA (inklusive ihrer Verbündeten) immer weniger in der Lage sind, ihre Intentionen in der internationalen Politik um- und durchzusetzen. Die Ausstrahlungskraft des liberaldemokratischen Westens mit dem von ihm maßgeblich geschaffenen internationalen System seit 1945 sinkt beständig. Es bleibt also bei einer Weltunordnung, in der die disruptiven Tendenzen zunehmen werden und in der die auf- und absteigenden Mächte sich weiterhin nicht als Manager des internationalen Systems im 21. Jahrhundert verstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kampf um die Vorherrschaft in den kommenden Jahren an Schärfe deutlich zunehmen wird.“ Carlo Masala, ebenda S. 180.

Peter R. Neuman, Professor für Sicherheitsstudien am King´s College London entwickelt Leitideen für eine nachhaltige Moderne.

„Die Krise des Westens ist offensichtlich. Aber was ist die Lösung? Es gibt drei Denkschulen: die Antiimperialisten, die den Westen abschaffen wollen; die Liberalen, die an die selbstheilenden Kräfte der liberalen Moderne glauben; und die (Neo-)Realisten, die sich für eine stärker interessengeleitete Politik einsetzen. Keine dieser Antworten ist überzeugend: Die Vision der Antiimperialisten missachtet die Errungenschaften des Westens; die Liberalen tun so, als sei alles in Ordnung; und die (Neo-)Realisten wollen den Westen zu einer Abkehr von den Werten zwingen, die ihn definieren.“ Peter R. Neumann, Die neue Weltunordnung, Berlin 2022, S. 276.

Statt so weiterzumachen wie bisher, muss der Westen viel zielgerichteter aus seinen Fehlern lernen; und statt sich von seinen Werten abzuwenden, muss er sie neu interpretieren. Das Ergebnis wäre eine Moderne, die ihre liberalen und pluralistischen Werte beibehält, aber in ihrer Umsetzung ehrlicher, pragmatischer und inklusiver handelt. Es wäre das Gegenteil einer sich selbst zerstörenden Moderne: Es wäre eine nachhaltige Moderne. Ehrlichkeit ist dabei am wichtigsten. Nach Jahrzehnten des gescheiterten Demokratie-Exports sollten westliche Eliten endlich akzeptieren, dass nicht alle Gesellschaften so denken oder sein wollen wie der Westen. Religion, Nationalismus und ethnische Identität bestimmen die politischen Präferenzen – und das Handeln – vieler Menschen mindestens genauso stark wie das Streben nach einem liberalen Regierungssystem. Dass es dem Westen schwerfällt, diese vermeintlich archaischen Kräfte zu verstehen, hat es seinen Gegnern leichter gemacht, sie für ihre eigenen Zwecke zu mobilisieren.“ Ebenda.

„Die liberale Demokratie ist ein starkes und gerechtes System, aber sie hat auch Schwächen, wie etwa die Kurzfristigkeit demokratischer Zyklen oder die Offenheit für Manipulation von außen. Vor allem aber neigen liberale Demokratien dazu, sich selbst für den Nabel der Welt zu halten: Ewiger Friede ist nicht erreicht, bloß weil sich westliche Gesellschaften dies wünschen und wirtschaftliche Globalisierung führt nicht automatisch dazu, dass alle vom Westen abhängig werden, sondern kann auch das Gegenteil zur Folge haben. Am unrealistischsten ist die Erwartung, dass sich westliche Vorstellungen – und das vom Westen geprägte Regelsystem – weiterhin durchsetzen lassen, obwohl der Anteil des Westens an der Weltbevölkerung und an der Weltwirtschaft immer keiner wird. Ein Westen, der ehrlicher mit anderen und sich selbst ist, wäre bescheidener und gleichzeitig konsequenter, weil er verstehen würde, dass liberale Werte zwar universell sind, aber durch jeweils unterschiedliche politische, historische und kulturelle Erfahrungen gefiltert werden; und dass selbst die mächtigsten Länder des Westens die universalen Versprechen von Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechten nicht überall – und nicht im gleichen Maße – durchsetzen können.“ Peter R. Neumann, ebenda S. 278.

„Eine nachhaltige Moderne würde die liberale Moderne deshalb nicht lähmen, sondern sie langfristig effektiver machen. Der Sinn und Zweck der liberalen Moderne – ihre Raison d`Etre (Daseinsberechtigung) – sollte dabei jedoch niemals aus dem Blick geraten; die Förderung von Menschenrechten, Freiheit und Wohlstand, also jener Errungenschaften, die den Westen zum besten und erfolgreichsten Gesellschaftssystem in der Menschheitsgeschichte haben werden lassen. Auch eine ehrlichere, pragmatischere und inklusivere Moderne darf also keine faulen Kompromisse mit ihren Feinden eingehen – egal, ob sie islamistisch, reaktionär oder autoritär sind. Wer das pluralistische Gesellschaftsmodell ablehnt, es bekämpft oder ein Gegenmodell zu ihm propagiert, kann kein permanenter Partner sein. Wer sich aber in Richtung Pluralismus bewegt, die eigene Gesellschaft öffnet und bereit ist, andere politische und gesellschaftliche Ideen zu tolerieren, sollte vom Westen mit offenen Armen willkommen geheißen werden. Nicht zuletzt würde es dadurch leichter, gemeinsame Interessen zu identifizieren und robuste Allianzen zu schmieden.“ Peter R. Neuman, Die neue Weltunordnung, S. 279.

Herfried Münkler sagt: „Die Welt von Freunden, auf die viele in den zurückliegenden drei Jahrzehnten gebaut haben, ist aus vielerlei Ursachen, vor allem infolge der russischen Angriffskriege, für die nächsten Jahrzehnte außer Reichweite geraten. Viel spricht dafür, dass die derzeit im Entstehen befindliche Weltordnung einer der Multipolarität, eine ohne globalen Hegemon und einer mit voraussichtlich fünf großen Playern sein wird: also eine Pentarchie und demzufolge auch eine Ordnung mit den für Gleichgewichtssysteme typischen Verwundbarkeiten.“ Herfried Münkler, Welt in Aufruhr, Berlin 2023.

„Kurzum: Wenn die Herausbildung uni- und bipolarer Ordnungen der bestehenden wie der sich entwickelnden Machtkonstellationen unwahrscheinlich ist, dann wird es – vorausgesetzt, es kommt nicht zum Absturz in einer wirkliche Anarchie der Staatenwelt, was keineswegs auszuschließen ist und die Wahrscheinlichkeit von großen Kriegen, die auch mit Nuklearwaffen ausgetragen werden, exponentiell steigen lässt – auf eine multipolare Ordnung hinauslaufen. Sie ist, alles in allem, das Optimum, was unter den sich abzeichnenden Konstellationen der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts möglich ist. Es ist indes kein Optimum, das im Gestus des Utopischen von außen an die tatsächlichen Verhältnisse herangetragen wird, sondern eines, das im Zentrum des realpolitisch Möglichen liegt und von den darin dominierenden Mächten den Willen und die Fähigkeit erfordert, globale Aufgaben zu übernehmen. Zunächst ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass multipolare Systeme auch auf einer geraden Anzahl der dominierenden Mächte beruhen, es also zur Ausbildung von Vierer- oder Sechserordnungen kommt. Es fällt jedoch auf, dass sich in der Geschichte kaum solche Systeme finden lassen und dass sie, wenn sie doch einmal identifiziert sind, nur für kurze Zeit Bestand hatten und eher Konstellationen des Übergangs waren. Das könnte freilich auch das Ergebnis von Zufällen sein. Aber es doch manches dafür, dass Systemen der starren Blockbildung, wie sie für eine gerade Anzahl großer Mächte typisch ist, ein Faktor der Balance und des Ausgleichs fehlt und sie deswegen eine starke Neigung haben, in Ordnungen mit einer ungeraden Anzahl von dominierenden Mächten überzugehen. Das heißt dann aber auch, dass Konstellationen mit einer ungeraden Anzahl von Großmächten eine genuine Ordnungsqualität zukommt. Von großer Relevanz ist dabei der Blockfreie, dem die größte Verantwortung für den Fortbestand des Systems zufällt.“ Münkler, ebenda S. 411.

„Ein weiterer, schwerlich zu überschätzender Faktor für das Übergewicht von Systemen der ungeraden über solche der geraden Zahlen hat mit der Zugehörigkeit zum Direktorium mit der gegenseitigen Anerkennung der großen Mächte zu tun. Diese Zugehörigkeit kann nicht beliebig ausgeweitet werden, weil das auf einen relativen Einflussverlust der Dominanzmächte hinauslaufen würde. Der bei einer Erweiterung zu erwartende Einflussverlust führt bei ihnen zu einem starken Interesse, den Kreis der Vormächte zu schließen: Sie wollen unter sich bleiben und dabei einen exklusiven Clubcharakter entwickeln. Die Exklusivität der Clubzugehörigkeit verstärkt die gegenseitige Anerkennung. Man sondert sich von den anderen ab und weiß diese Besonderheit als Vorrecht zu schätzen. Das sorgt dann dafür, dass sich Systeme, die aus den zuvor beschriebenen Gründen heraus als Fünferordnungen entstanden sind, nicht unter der Hand in Sechser-, Siebener- und Achtersysteme verwandeln, sondern eine Tendenz haben, den Eintritt eines neuen Dominanzakteurs durch das Ausscheiden einer bisherigen Macht auszugleichen.“ Münkler, ebenda S. 412.

„Für die kollektive Hegemonie von Fünfen spricht weiterhin, dass bei Dreien zwangsläufig Zwei-zu-Eins-Konstellationen entstehen, was eine bedrohliche Instabilität der Ordnung zur Folge hat, weil der im Nachteil Befindliche als Ausgleich Akteure, die dem Direktorium nicht angehören, in die Gruppe der Dominierenden hereinzuholen versucht und der Beweglichste im Dreiersystem permanent seine Unterstützung an einen der beiden anderen versteigern kann: Er unterstützt den, der ihm dafür am meisten bietet. Das befördert einen Wettlauf um die Position des Beweglichsten, was ebenfalls zu notorischer Instabilität führt. Bei einem System der Sieben dagegen ist der Einfluss auf so viele Schultern verteilt, dass die Teilhabe am Direktorium der Weltordnung womöglich unattraktiv wird und einige von sich aus darauf verzichten. Das kann zu einem Run aus der Verantwortung führen. Die Attraktivität der Macht ist dann womöglich so gering, dass die damit verbundenen Kosten und Lasten in keinem Verhältnis mehr zu den Vorteilen von Macht und Einfluss stehen. Diese auf rationale Kalkulationen gestützten Überlegungen lassen die Entstehung von Pentarchien zwar nicht zwangsläufig erscheinen, aber sie machen sie doch von allen vorstellbaren Ordnungen zu den wahrscheinlichsten.“ Münkler, ebenda. S. 417.

Die Weltmächte China, Russland, Europa, USA und Indien sind nach Münkler prädestiniert (müssen es aber nicht zwangsläufig werden) für die Zugehörigkeit zum „Direktorium der globalen Ordnung“ der Weltgesellschaft.

„Diese fünf Pole beziehungsweise Zentren der Weltordnung bilden also nicht nur begrenzte, jedenfalls abgrenzbare Wirtschaftsräume aus, die auf die Möglichkeit einer gewissen Autarkie hin ausgelegt sind, sondern entwickeln für diese Räume auch je eigene Ordnungen von Regeln und Werten, nach denen sie die Binnenstrukturen ihres Raumes organisieren. Diese Regelsysteme und Werteordnungen unterscheiden sich allesamt voneinander – aber sie tun es in unterschiedlichem Maße. Das führt zu der bereits mehrfach angesprochenen Zweiergruppierung innerhalb des Fünfersystems, bei dem sich nicht nur demokratische und autoritäre, sondern auch individualistische und gemeinschaftsbezogene Ordnungen einander gegenüberstehen. In Ersteren stellen Individualrechte die Grundlage der Ordnung dar, die als Menschen- und Bürgerrechte ausgestaltet sind und für deren Begrenzung und Einschränkung es hohe Hürden gibt, was politisch eine liberaldemokratische Ordnung voraussetzt; in Letzteren steht die Vorstellung der Gemeinschaft (nicht der Gesellschaft, die als Aggregation von Individuen konzipiert ist) im Zentrum, und gemessen an ihren Erfordernissen wird über Rechte und Pflichten der Menschen entschieden, was auf eine autoritäre Ordnung hinausläuft. Aus dieser normativ unterschiedlichen Grundlegung der sozialen und politischen Ordnung erwachsen dann unterschiedliche Herrschaftssysteme mit unterschiedlichen Eingriffsweiten und Steuerungsoptionen der Regierungen.

Damit verbunden ist eine unterschiedliche Verwundbarkeit der Systeme durch Enttäuschungen, aus denen Kritik oder auch offener Widerstand erwachsen können, ebenso aber auch eine unterschiedliche Resilienz gegenüber solchen Enttäuschungen. Als Faustregel gilt: Weil in autoritären Systemen die Regierung sehr viel größere Eingriffsmöglichkeiten hat, steht sie grundsätzlich unter einem höheren Erwartungsdruck wie Legitimationsbedarf, als das in liberaldemokratischen Ordnungen, jedenfalls vom Grundsatz her, der Fall ist. Dafür verfügt sie aber auch über erheblich größere Repressionsmöglichkeiten gegenüber einer ihre Unzufriedenheit artikulierenden Bevölkerung als Regierungen, die an eine verfassungsmäßig geregelte Responsivität der Bürger gebunden und auch darauf eingestellt sind.

Das ist der Gegensatz, der das System der Fünf auf unabsehbare Zeit strukturieren wird. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die liberaldemokratischen ebenso wie die autoritären Ordnungen Variationen aufweisen, so dass eine starre Wertekonfrontation der Blöcke eher unwahrscheinlich ist und partielle Kooperationen über die Blockbildung hinweg nicht auszuschließen sind. Die sich gegenwärtig herausbildende Weltordnung ist keine der universalen Werte und Normen, … Die sich zurzeit entwickelnde Weltordnung, die hier in modeltheoretischer Sicht analysiert wird – das heißt: als ob sie schon vollendet wäre – ist stärker durch macht– und geopolitische Imperative als durch religiöse und kulturelle Prägungen gekennzeichnet.“ Münkler, ebenda S. 427-428.

„Es werden darum vorerst eher dünne Regelwerke sein, auf die sich die Polmächte der Weltordnung im Umgang miteinander verlassen können. Die Ära eines westlichen Werteimperialismus, wie der Normunversalismus des Westens in denunziatorischer Absicht bezeichnet worden ist, ist jedenfalls vorbei, und die Rekurse auf das Völkerrecht stehen unter dem Vorbehalt, dass es mächtigere Akteure bedarf, die es durchsetzen. Man wird davon ausgehen müssen, dass die Polmächte mit ihren je eigenen Werteordnungen auch eine unterschiedliche Auslegung des Völkerrechts pflegen. Das gilt vor allem für das Agieren ihrer Einflusssphären.“ Münkler, ebenda S. 429.

„Nur die, deren Interessen tatsächlich globaler Art sind, die es also infolgedessen nicht zulassen können oder aufgrund ihrer politischen Präferenzen nicht zulassen wollen, dass globale Entwicklungen Platz greifen, auf die sie keinen Einfluss haben, müssen die Last der ersten Reihe (in der Weltordnung/Weltgesellschaft) auf sich nehmen.

Nach dem gegenwärtigen Stand der weltpolitischen Entwicklung sind dies nur die USA und China sowie Russland, die Europäische Union und Indien (als Zünglein an der Waage zwischen den Zweierblöcken Europa / USA und China / Russland). Alle anderen haben größere Vorteile, wenn sie in der zweiten Reihe Platz nehmen, um sich dort hofieren zu lassen. …

Unter den fünf hier genannten Kandidaten für das Direktorium der Weltordnung läuft die Europäische Union sicherlich das größte Risiko, dass sie sich bei anstehenden Richtungsentscheidungen nicht festzulegen vermag oder dass infolge von Entscheidungen die zentrifugalen Tendenzen die Oberhand gewinnen und man wegen notorischer Schwäche aus dem Club der Fünf ausscheiden muss. Es gibt in de Weltordnung aber nicht nur (eine erste und) zweite, sondern auch eine dritte und eine vierte Reihe von Staaten.“ Münkler, ebenda S. 433.

„Auch die hier skizzierte Weltordnung der dominierenden Fünf und der Einflussstruktur von mehreren hintereinander geordneten Reihen wird irgendwann einmal zu Ende gehen, weil sie durch eine normativ anspruchsvollere und problembezogen effektivere Ordnung ersetzt werden kann. Vorerst ist sie zwar nicht alternativlos, aber wohl das Beste, was zurzeit als Weltordnung funktionieren kann.“ Münkler, Welt in Aufruhr, Berlin 2023, S. 438.

Wenn nun aber zukünftig eine Pentarchie, eine Herrschaft der Fünf, die globalen Geschicke leiten sollte: Was wird aus den Vereinten Nationen Herr Münkler? Sind sie dann überflüssig?

Die Vereinten Nationen sind nicht überflüssig, aber die in sie gesetzten Erwartungen haben sie nicht erfüllen können. Warum? Weil sie aufgrund ihrer Struktur und Verfassung nicht reformierbar sind. Mächte blockieren sich, gerade im alles entscheidenden Sicherheitsrat. …Tatsächlich böte ein solches „Direktorium der globalen Ordnung“ Vorteile. Regeln und Entscheidungen, an deren Einhaltung die Hegemonialmächte interessiert sind, könnten viel effektiver durchgesetzt werden, als es bislang möglich gewesen ist. Denn die „alte“ Weltordnung braucht einen „Hüter“, das ist im Rahmen einer Pentarchie nicht so.“ Herfried Münkler (siehe Interview).

Die Vereinten Nationen UN. Ist das Völkerrecht am Ende? Eine kritische Öffentlichkeit hat sich gegen den russischen Rechtsbruch gestellt, und das ist höchst bedeutsam, findet der Politikwissenschaftler Lothar Brock.

„Der Einmarsch Russlands in die Ukraine erschüttert erneut das Vertrauen in das Völkerrecht: Er stellt einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta dar.

Das Gewaltverbot untersagt Staaten die einseitige Androhung und Anwendung militärischer Gewalt außer zu Zwecken der Selbstverteidigung bei einem bewaffneten Angriff.  Dieses Verbot hat Russland gebrochen. Versetzt das dem bereits vielfach verletzten völkerrechtlichen Gewaltverbot endgültig den Todesstoß?

Das Gewaltverbot hat den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verhindert. Das Verbot als solches hätte ihn aber auch nicht verhindern können. Das anzunehmen, liefe auf ein Missverständnis hinaus: Denn die Gültigkeit des Gewaltverbots als völkerrechtliche Norm bemisst sich nicht in erster Linie daran, ob es zu jeder Zeit befolgt wird. Zentral ist vielmehr seine Akzeptanz als verbindlicher Maßstab für die Beurteilung militärischer Gewaltanwendung. 2021 wurden in Deutschland mehr als 200 Morde registriert. Niemand würde aus diesen Rechtsbrüchen ernsthaft schlussfolgern, dass der Straftatbestand des Mordes damit seine Gültigkeit verloren hätte.

Nun sind staatliches und zwischenstaatliches Recht aber nicht dasselbe. Die Durchsetzung des letzteren kann sich nicht wie in einem funktionierenden Staat auf ein „Monopol legitimer Gewaltsamkeit“ (Max Weber) stützen. Entscheidend ist das Votum des Sicherheitsrates, das letztlich immer von der Abstimmung der fünf Ständigen Mitglieder abhängt, die über ein Veto verfügen. Jede Entscheidung muss also konkurrierende politische Interessen berücksichtigen.

Dass Recht und Interesse eng zusammenhängen, war auch Immanuel Kant klar. Er war der wohl wichtigste Vordenker des modernen Kriegsverbots. Sein Friedensplan war keineswegs naiv: Er konzipierte einen dauerhaften internationalen Rechtsfrieden nicht als Zustand, sondern als einen historischen Prozess, der immer wieder Rückschläge erfahren würde, ohne damit aber zum Erliegen zu kommen.

Besondere Bedeutung maß Kant dabei internationalen Institutionen und der Öffentlichkeit zu. Beides waren für ihn kritische Instanzen, die die Anwendung von Gewalt in internationalen Konflikten skandalisieren und damit erschweren sollten. Das hat unter den UN siebzig Jahre lang leidlich gut funktioniert: Ein großer Krieg zwischen Ost und West wurde verhindert. Kleinere Kriege fanden weiterhin zwar statt, aber nicht mehr als zwischenstaatliche, sondern fast ausschließlich als innerstaatliche Kriege (mit internationaler Einmischung).

Jetzt sind wir wieder beim zwischenstaatlichen Krieg angelangt. War Kant also doch für die Katz? Keineswegs! Selbst Putin sieht sich verpflichtet, seinen Krieg gegen die Ukraine unter Verweis auf das Völkerrecht zu rechtfertigen. Auch wenn es sich um sehr unterschiedliche Konflikte gehandelt hat, kommt ihm dabei zumindest gegenüber einem nicht-westlichen Publikum zupass, dass der Westen im „Krieg gegen den Terror“ und bei Eingriffen in innerstaatliche Konflikte (Kosovo 1999, Irak 2003) seinerseits die Anwendung von Gewalt mit völkerrechtlich fragwürdigen Argumenten gerechtfertigt hat. Umso schlimmer für das Völkerrecht?

Die russische Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine wird nicht nur von den Nato-Staaten zurückgewiesen: 141 Staaten verurteilten Anfang März 2022 den russischen Angriffskrieg in der UN-Generalversammlung, und 143 Staaten haben dort im Oktober 2022 die Annexionen der ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson für ungültig erklärt. Davon, dass die russische Invasion das Ende des Gewaltverbots der UN-Charta bedeutet, kann also keine Rede sein.

Vielmehr hat sich eine kritische Öffentlichkeit gegen den russischen Rechtsbruch gestellt, und das ist im gegenwärtig eskalierenden Kampf um internationale Gefolgschaft für die eigenen weltpolitischen Ambitionen höchst bedeutsam.

Aber 50 Staaten, darunter Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko (ganz zu schweigen von China) haben sich der westlichen Sanktionspolitik gegen Russland nicht angeschlossen. Hier bestätigt sich, dass das Recht immer beides ist: normativer Bezugsrahmen für die Rechtfertigung und gleichzeitig für die Kritik von Gewalt. Beide sind unaufhebbar miteinander verbunden: Recht ist immer umkämpft. Entscheidend ist, ob seine Geltung oder seine Anwendung Gegenstand des Streites ist. In diesem Streit wird heute mehr denn je allen Staaten abverlangt, die Grundsätze der UN-Charta entschieden zu verteidigen. Bei den sich bereits vollziehenden globalen Machtverschiebungen wird sich das als überlebenswichtig erweisen.“ Lothar Brock, vgl. auch: Der Ukraine-Krieg und das Völkerrecht. Ist das Gewaltverbot nun endgültig tot?

23-Picasso – 1952 – La Guerre et La Paix Chapelle in Vallauris – Peace-C-R80-Cont8

https://www.n-tv.de/politik/Interview-mit-Joern-Leonhard-Die-wenigsten-Kriege-enden-mit-Friedensverhandlungen-article24868549.html

Fazit.

Henryk Cichowski

Tun wir die richtigen Dinge (Effektivität)?

Tun wir die richtigen Dinge gut? (Effizienz).

Wie wir gesehen haben, ist man sich einig darüber, dass die Welt in Aufruhr ist.

Die Gewährung des Friedens erklärt Kant zur Sache der Politik, die andere Interessen dabei der kosmopolitischen Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen haben.

Die Welt ist komplex, kulturell und ethnisch verschieden. Weltprobleme lassen sich nicht mit nationalistisch-völkischem Gedankengut „einfach“ lösen. 

Der Soziologe Niklas Luhmann hat schon vor Jahrzehnten, also lange bevor Globalisierung ein Allerweltswort wurde, unterstellt, dass es nur noch einen möglichen Gesellschaftsbegriff gebe, nämlich den der Weltgesellschaft

Es gibt keine territorialen Grenzen mehr für Geld, Information, Bildung, Energie, Umweltzerstörung, Terror

Und wir erfahren täglich aus den Nachrichten, dass nationale Politik nicht umgehen kann mit ökologischen Problemen, dem Problem der Durchsetzung von Menschenrechten, den Forderungen nach «humanitären» Interventionen modernen  Völkerwanderungen / Flucht und weltweiten Finanzspekulationen.

Weil die Welt komplex ist, fehlen uns immer Informationen und Wissen. Weil Wissen fehlt, sind wir immer unsicher. Weil wir unsicher sind, haben wir oft Angst

Und da es keine schnellen Antworten auf unsere Fragen gibt, haben wir nun mal den Wettbewerb oder gar Konflikt der Meinungen (Zwietracht, Widerstreit, Dissens). 

Das (Komplexität) muss man ohne übertriebene Angst aushalten, um tatsächlich nachhaltige Lösungen zu finden. Und da die großen Problemlagen der Menschheit keine territorialen Grenzen kennen, lassen sie sich eben in der Regel auch nicht „einfach“ national oder gar nationalistisch lösen. 

Überall auf der Welt machen sich Anti-Demokraten auf den Weg, die (Über)Lebensangst der Menschen für ihre Machtzwecke zu instrumentalisieren.

Geboten ist eine stabile Weltordnung, die das friedliche Zusammenleben aller Menschen auf der Erde so sicherstellt, dass Menschen sich darauf verbindlich berufen können.

Längst ist die moderne Welt eine Weltgesellschaft geworden. Geld– und Informationsströme, Klimaveränderung, Terror… machen nicht an territorialen Grenzen halt.

Obwohl wir längst in einer solchen Weltgesellschaft leben, existiert oberhalb der Staatenebene keine klare Ordnungsstruktur, in der sich Staaten auf eine höhere Autorität im internationalen System verlassen können, die sie beschützt und die Stabilität, Friedfertigkeit und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen sicherstellt.

Diese Lücke müssen Staaten / Regionalgesellschaften zum Schutz ihrer Souveränität und territorialen Integrität selbst organisieren. Die Sicherstellung staatlichen Überlebens erfolgt primär über den Aufbau von Machtmitteln.

Neben den Versuchen eine stabile Weltordnung mit universellen Werten über einen Völkerbund bzw. Friedensbund aller Staaten in der Welt als  Vereinte Nationen (zwischenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten / als  globale internationale Organisation ein uneingeschränkt anerkanntes Völkerrechtssubjekt) zu schaffen, streben starke, hierarchisch obenstehende  Weltmächte danach, ihre jeweiligen Interessen durch Beeinflussung als Hegemonialmacht oder als Diktat einer Imperialmacht durchzusetzen.

Leider werden, wie wir gesehen haben in diesen Machtspielen universelle Werte unterschiedlich ausgelegt. Unterschiedliche Machtinteressen und unterschiedliche Auslegungen von Normen und Werten, Rechten und Pflichten führen regelmäßig zu Konflikten, bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

Wenn die Kriegsparteien dann am Ende nicht mehr können oder nicht mehr weiterkommen, kommt es in aller Regel zu großen, neuen Verabredungen (Verträge, Gesetze und Erklärungen) zur Ordnung der Verhältnisse. Jedes Mal nimmt man sich vor, es besser machen zu wollen.

  • Als Pessimist würde man sagen, „Frieden auf der Welt wird niemals gelingen“.
  • Als Optimist würde man sagen, „Die nächste große Verabredung wird den Weltfrieden sicherstellen“.
  • Als Realist würde man sagen: „Die Schaffung einer friedlichen Weltordnung ist als Prozess zu sehen, bei dem sich trotz Rückschlägen am Ende eine stabile Ordnung herauskristallisieren wird“ (Vgl. hierzu Kant – „Zum ewigen Frieden“)

Warum schwer – wenn, Frieden schaffen global auch einfach möglich wäre?

Einfach ist natürlich die Friedenstheorie / das Friedensmodell einer gerechten Weltordnung im Völkerverbund. Schwer ist allerdings die politische Umsetzungspraxis einer gerechten Weltordnung, angesichts der unterschiedlichen individuellen und kollektiven Interessenslagen, verbunden mit heterogenen ideologischen, kulturellen und auch religiösen Auffassungen und Lebenspraktiken im Rahmen der weltgesellschaftlichen Realität.

Alles läuft auf ein Wechselverhältnis bzw. Wechselspiel vernetzter souveräner Menschen, souveräner Staaten (Regionalgesellschaften) und einer souveränen Weltgesellschaft hinaus, in denen sich Individualrechte und Kollektivrechte, sozusagen reziprok als winwin Prozesse ergänzen.

Die Reziprozität empowerter Individuen, empowerter Regionalgesellschaften und einer empowerten Weltgesellschaft bedeutet, dass man von dem jeweils anderen Frieden erwarten kann, und der andere die Friedfertigkeit von mir erwarten kann.

Ich kann von anderen erwarten, nicht übergriffig behandelt zu werden, genauso können andere von mir erwarten, dass ich nicht übergriffig gegen sie handele. „Nur diejenigen, die andere zu würdigen wissen, sind selbst würdig.“ Bazon Brock.

Diese Ausdifferenzierung des guten und gerechten Miteinanders, bei denen alle Weltbürger und Staaten in der Weltgesellschaft das kollektive und individuelle Gut des Weltfriedens als Weltbürgerecht würdigen, vollzieht als ein reziproker Empowermentprozess.

VERTRAGen heißt als Goldene Regel: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

So wird am Ende der Mensch frei sein:

  • Frei sein, vor der gewaltsamen Willkür und Schlechtigkeit anderer und auch seiner selbst.
  • Frei sein, Talente und Gaben zum Wohle aller und sich selbst zu entfalten.

Diese Goldene Regel beinhaltet: dass Menschen im gegenseitigen Erwartungshandeln (Kommunikation) vor bösen und übergriffigen sozialen Handlungen und Tatsachen anderer und auch vor eigenen bösen und übergriffigen Intentionen ihrer selbst geschützt werden.

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“. 

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Verwendete Literatur

Henryk Cichowski