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Die Welt ist in Aufruhr (nach Herfried Münkler)

Die Welt ist in Aufruhr (nach Herfried Münkler)

„Die Welt von Freunden, auf die viele in den zurückliegenden drei Jahrzehnten gebaut haben, ist aus vielerlei Ursachen, vor allem infolge der russischen Angriffskriege, für die nächsten Jahrzehnte außer Reichweite geraten.

Viel spricht dafür, dass die derzeit im Entstehen befindliche Weltordnung eine der Multipolarität, eine ohne globalen Hegemonen und eine mit voraussichtlich fünf großen Playern sein wird: also eine Pentarchie und demzufolge auch eine Ordnung mit den für Gleichgewichtssysteme typischen Verwundbarkeiten.“ (Herfried Münkler)

Die Weltmächte China, Russland, Europa, USA und Indien (als Zünglein an der Waage zwischen den Zweierblöcken Europa / USA und China / Russland) sind nach Münkler prädestiniert (müssen es aber nicht zwangsläufig werden) für die Zugehörigkeit zum „Direktorium der globalen Ordnung“ der Weltgesellschaft.

Diese fünf Pole beziehungsweise Zentren der Weltordnung bilden also nicht nur begrenzte, jedenfalls abgrenzbare Wirtschaftsräume aus, die auf die Möglichkeit einer gewissen Autarkie hinausgelegt sind, sondern entwickeln für diese Räume auch je eigene Ordnungen von Regeln und Werten, nach denen sie die Binnenstrukturen ihres Raumes organisieren.

Diese Regelsysteme und Werteordnungen unterscheiden sich allesamt voneinander – aber sie tun es in unterschiedlichem Maße. Das führt zu der bereits mehrfach angesprochenen Zweiergruppierung innerhalb des Fünfersystems, bei dem sich nicht nur demokratische und autoritäre, sondern auch individualistische und gemeinschaftsbezogene Ordnungen einander gegenüberstehen.

In Ersteren stellen Individualrechte die Grundlage der Ordnung dar, die als Menschen- und Bürgerrechte ausgestaltet sind und für deren Begrenzung und Einschränkung es hohe Hürden gibt, was politisch eine liberaldemokratische Ordnung voraussetzt; in Letzteren steht die Vorstellung der Gemeinschaft (nicht der Gesellschaft, die als Aggregation von Individuen konzipiert ist) im Zentrum, und gemessen an ihren Erfordernissen wird über Rechte und Pflichten der Menschen entschieden, was auf eine autoritäre Ordnung hinausläuft.

Das ist der Gegensatz, der das System der Fünf auf unabsehbare Zeit strukturieren wird. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die liberaldemokratischen ebenso wie die autoritären Ordnungen Variationen aufweisen, so dass eine starre Wertekonfrontation der Blöcke eher unwahrscheinlich ist und partielle Kooperationen über die Blockbildung hinweg nicht auszuschließen sind.

Die sich zurzeit entwickelnde Weltordnung, die hier in modelltheoretischer Sicht analysiert wird – das heißt: als ob sie schon vollendet wäre – ist stärker durch macht- und geopolitische Imperative als durch religiöse und kulturelle Prägungen gekennzeichnet.

Es werden darum vorerst eher dünne Regelwerke sein, auf die sich die Polmächte der Weltordnung im Umgang miteinander verlassen können. Die Ära eines westlichen Wertevorherrschaft ist jedenfalls vorbei. Man wird davon ausgehen müssen, dass die Polmächte mit ihren je eigenen Werteordnungen auch eine unterschiedliche Auslegung des Völkerrechts pflegen. Das gilt vor allem für das Agieren in ihren Einflusssphären.

Welche Rolle die Organisation der Vereinten Nationen (UN) in dieser Konstellation spielen kann, wird sich zeigen. (Nach Herfried Münkler)

In der sich gegenwärtig herausbildenden Weltordnung zählen immer weniger universale Werte und Normen, sondern vor allem Macht und Stärke.